Gerhard Lang
Einigkeit im gemeinsamen Schicksal
Am 24.7.1761 zogen die ersten
Kolonisten für die Kolonie Prinzenmoor ihr Los.
Hier sollen nur die für diesen Aufsatz interessanten
Kolonisten aufgeführt werden:
Hof 16/3: Philipp (Peter) Freymüller mit Frau und 2
Kinder
Hof 16/6 David Zoller mit Frau und 1
Kind
Hof 16/7: Matthias Boger mit Frau und 5
Kinder
Hof 16/8: Georg Boger mit Frau und 6
Kinder
Hof 16/9: Johann Friedrich Behringer mit Frau und 4
Kinder
Hof 16/13: Johann Adam Nufer mit Frau und 2
Kinder
Hof 16/15: Joachim Friedrich Leist mit Frau und 2
Kinder
Am 17.5.1763 folgten die
Neubesetzungen:
Hof 16/1 Jakob Sick mit Frau und 2
Kinder
Hof 16/4 Georg Scholl mit Frau
Hof 16/10 Michael Steiger mit Frau und 4
Kinder
Hof 16/12 Nikolaus Eigenherr mit Frau und 2
Kinder
Hof 16/14 Georg Wanner mit Frau und 1
Kind
Damit haben wir unsere „Hauptdarsteller“ zusammen. Es
spielen alle eine Rolle, die Kolonisten wie die Frauen und die Kinder. Dazu
gesellt sich die Verwaltung in Person des Amtmanns Plessen, Dr. Erichsen und
Johann Matthias Costenbader als Gehilfe des Dr. Erichsen. Auslöser dieser
Geschichte ist Hans Stahl, Schulmeister in dieser Kolonie und wohnhaft bei Georg
Boger.
Hans Stahl ist also in der Nacht vom 5. zum 6. März
wachgeworden von sprechenden Menschen. Neugierig wollte er nachsehen, worum es
ging. Als er die Stube betrat, erblickte er 4 bis 5 Kolonisten und eine auf sich
gerichtete Flinte.
Mit ernsthaften Worten wurde er wieder in seine Stube
geschickt und er solle dort bleiben. Als gegen Morgen Ruhe im Haus eingekehrt
war, stellte er fest: Das Haus war leer. Erschrocken ist er zum Nachbar Kröger
gelaufen. Mit diesem gemeinsam haben sie dann festgestellt, dass 12 Häuser leer
waren.
Jetzt ging es um eine schnelle Meldung bei der
Obrigkeit.
Der Gehilfe Costenbader ritt gleich den Desertierten
nach. Diese waren inzwischen über die Eider gesetzt und düngten sich im sicheren
Auslande. Es gab aber zwischen Gottorf und Dithmarschen ein Abkommen zum
Ergreifen der Deserteure. Nur mit der Begleichung des dithmarschener Aufwandes
war Gottorf etwas nachläßig. So verlangte diesmal der Landvogt Lowtzow, dass
sich Costenbader bei ihm in Schutzhaft begibt. Was er auch tat. Inspektor Heldt
reiste schnell nach Gottorf, um von dort die entsprechenden Vollmachten zu
holen. In der Zwischenzeit wurden schon die Deserteure gesucht und sechs
Familien fand man in Tellingstedt beim Verkauf ihrer mitgenommenen Sachen, die
anderen sechs Familien wurden in Wrohm aufgegriffen.
Alle wurden nach Heide gebracht und ins Stockhaus
eingesperrt.
Am 9. März richteten die Kolonisten eine Bittschrift
an den Landvogt Lotzow mit dem Inhalt, dass sie mit falschen Versprechungen nach
Schleswig gelockt wurden und sie auf der angewiesenen Stelle kein Auskommen
hätten.
Nach einigem Briefwechsel zwischen den Ämtern hat man
die Deserteure am 15. März nach Süderstapel gebracht. Hier erfolgte die Übergabe
an das Amt Gottorf. Am 16. früh morgens brach man auf in Richtung Schloß
Gottorf. Die Männer wurden in der Schloßwache inhaftiert, die Frauen in einigen
Nebenräumen.
Die Verhöre und Ermittelungen zur Flucht gestallteten
sich sehr schwierig. Der Rädelsführer war nicht zu finden. Die schwere der Tat
wurde wie folgt festgelegt:
Joachim Friedrich Leist soll der Anstifter sein, weil
er zur Erkundung der Lage im Dithmarschen war und die Bittbriefe an den Landvogt
verfaßt hat.
Georg Scholl hat von den Vorbereitungen gewußt und
keine Meldung gemacht.
Johann Ludwig Behringer war auch im Dithmarschen und
hat bei der Verhaftung den Costenbader bedroht.
Georg Wanner hat in der Nacht der Flucht dem
Schulmeister Stahl die Flinte vorgehalten.
Michael Steiger, Nikolaus Eigenherr, Jakob Stick,
Georg Boger, Matthias Boger, Peter Freymüller und Hans Adam Nufer sollen die
weniger schuldigen sein.
Am 3. April traf in Gottorf der Strafbefehl aus
Kopenhagen ein und am 6. April vollstreckt:
Georg Scholl, Joachim Friedrich Leist, Johann Ludwig
Behringer, alle 2 Jahre Festungshaft und die anderen 1 Jahr Festungshaft: Georg
Wanner, David Zoller, Matthias Boger, Peter Freymüller wurden nach Rendsburg
gebracht.
Die weniger schuldigen wurden zu 3 Wochen Bährenloch
verurteilt. Frau Zoller gebar in der Haft ein Kind. Frau Steiger und der
Kolonist Behringer verstarben in der Haft. Die Frauen und Kinder sind an diesem
Tag auf Dörfer einquartiert.
Am 28. April wurden die minder schuldigen Kolonisten
aus dem Kerker entlassen und
Die Frauen von den in Rendsburg sitzenden Deserteuren
fingen jetzt an Gnadengesuche an den dänischen König zu schreiben. Erst im
August wurde das Gnadengesuch für die 1-jährig verurteilten vom Gottorfer Amtmann
befürwortet. Damit war der Weg zur Begnadigung frei. Die Kolonisten Wanner,
Zoller, Boger und Freymüller wurden im Oktober freigelassen und im Amt Flensburg
neu angesetzt. Für die Kolonisten Leist und Scholl ergab sich erst
am 5.6.1765 Besserung. Sie wurden entlassen und des Landes verwiesen. Beide
zogen nach Russland, Leist nach Fischer an der Wolga und Scholl nach Riebensdorf
am Don. Die Witwe Behringer heiratet Johannes Neuwirth und zieht mit ihm und
ihren Kinder nach Reinwald. Nach neuen Unterlagen finde ich in Riebensdorf diese
Kolonisten wieder. Die Witwe des Kolonisten Eigenherr hat inzwischen den
Kolonisten Scholl geheiratet. Das folgende ist eine Annahme wie es sich zugetragen
haben könnte. Gehen wir davon aus, dass das Ansatzdatum Mai 1765
von Jakob Sick auch für die anderen Kolonisten gilt und weiter die Entlassung
des Kolonisten Scholl auf den 5.6.1765 fällt. Als wichtigen Termin haben wir die
Heirat des Kolonisten Steiger, sie war auch am 5.6.1765 in Lübeck. Mit hoher
Wahrscheinlichkeit werden sich auch die anderen Kolonisten in Lübeck befunden
haben. Leider sind in Lübeck keine Trauzeugen verzeichnet. Hier haben sie den
russischen Agenten aufgesucht und dann auf eine Schiffspassage nach St.
Petersburg gewartet. In St. Petersburg ging es nach Oranienbaum zur Quarantäne,
diese dauerte auch eine ganze Weile. In Oranienbaum wurde eine Gruppe von
60 Familien ausgesucht, die im Gebiet Ostrogoshsk siedeln sollten. Die dortige
Verwaltung unternahm nichts. Als die Kolonisten im Februar 1766 dort eintrafen,
kümmerte sich nur Fürst Tewjaschew um die Kolonisten. Dieser Fürst suchte für
sein eigenes Land Bauern zum Bestellen der Äcker. So wurden sie am Flüsschen
Sosna angesiedelt und Riebensdorf entstand. Der Name entstand durch das
Zusammenfügen des russischen Wortes für "Fisch" und das deutsche
"Dorf".